Weltmusikmesse Womex II (05/2005)

Die monatliche Kolumne zu Musik aus Lateinamerika, der Karibik, Spanien und Portugal. Hier findet ihr Folklore, Latinjazz, Rock und Elektroakustik neben Speedmetal, Funk und Kammermusik. Ob Tango, Kaseko, Guajira, Flamenco, Fado, Axé, Punta oder die Mischung aus allem, hier kommt es auf den Prüfstand. Vorgehört und serviert von Torsten Eßer.

Aus Brasilien und Deutschland kommen die Musiker der Gruppe Cloaca. João Guimarães zeichnet verantwortlich für die meisten Texte auf „Composto Energético“ (Artists Own). Sie sind meist ebenso experimentell wie die Mischung der Musik aus traditioneller Perkussion, manchmal Nina-Hagen-ähnlichen Gesängen, Bossa, MPB, Jazz und Poparrangerments, die sich alle zu einer spannenden neuen Mixtur vereinen. Bebel Gilberto legt mit ihrem zweiten Album (Ziriguiboom), das schlicht ihren Namen trägt, eine wunderschöne Mischung entspannter Lieder vor. Eine sparsame Instrumentierung mit einigen elektronischen Tupfern sowie ihre samtene Stimme sorgen für ein Wohlgefühl, egal ob es sich um eine englischsprachige langsame Bossa-Nummer handelt (All around) oder den fröhlichen, auch tanzbaren Lobgesang an den Gott Xango (Aganjú).

Ein gelungenes Album unter Mitwirkung von Stars wie João Donato, Carlinhos Brown und dem Produzenten Marius de Vries. Bebels Landsmann, der Countertenor Fênix, präsentiert auf seinem Album „Marfim“ (Traumton) ebenfalls gut gemachte Rock-/Poprmusik.

Fetzige und tanzbare Stücke wie die beiden Einsteiger „Cara a tapa“ (eine Coverversion von „They say vision“) oder „Chá de Maca“ ziehen den Hörer sofort in die CD hinein und lassen fast vergessen, dass es sich bei dieser androgynen Stimme um einen Sänger handelt. Aber es gibt auch langsame Titel, die sich mit der unvermeidlichen saudade und der nordöstlichen Heimat von Fênix – Pernambuco – befassen.

Weiter geht’s nach Mexiko. Lila Downs vermischt auf „Una Sangre“ (Peregrina) wie schon auf ihren vorherigen Produktionen Elemente verschiedener Religionen – katholische Gebete, indigene Riten – mit Instrumenten und Rhythmen mexikanischer/lateinamerikanischer Popularmusik, modernen Instrumenten und aktuellen Themen, gesungen auf Spanisch, verschiedenen indigenen Sprachen und Englisch.

Es beginnt mit einem flotten Liedchen und afro-mexikanischen Klängen von der Küste Oaxacas, geht dann aber direkt zu ernsten Themen über: „Dignificada“ ist gewidmet den Frauen der Welt, hier in Person von Digna Ochoa, einer 2001 ermordeten Menschenrechtsanwältin. Auch zwei weltbekannte Standards fanden ihren Weg auf das neue Album: „La Bamba“ in einer Version mit dem traditionellen Text und sparsamer Instrumentierung sowie „La Cucaracha“, das von einem Hendrix-ähnlichen Gitarrenriff eingeleitet wird, Eine interessante Interpretation des Liedes, das ursprünglich aus den Zeiten der mexikanischen Revolution stammt und die US-Soldaten und ihren Marihuana-Konsum beschreibt.

Direkt an Mexiko grenzt Belize. In diesem kleinen Land gibt es nur ein bekanntes Platten-Label: Stonetree-Records. Dort sind zwei neue Alben erschienen: „The Grandmaster“ von Leroy Young mischt Garífuna-Musik mit Rap. Ein interessanter Versuch, der aber am einschläfernden Sprechgesang und der Eintönigkeit vieler Stücke scheitert. Sein Labelkollege Aurelio Martinez kommt mit seinem puntarock, also punta und paranda plus moderne Instrumente und Texte, viel besser rüber. Selbst die traditionellen Titel wirken auf „Garífuna Soul“ frisch und fröhlich.

Von Belize ist es kulturell und geographisch nur ein Sprung in die Karibik. Dort sind die Rhythmen und Tänze Merengue und Salsa zuhause. Das unter Tanzfans schon bekannte Hamburger Label Danza y Movimiento (und sein Sublabel Via Cancun) hat zwei neue Sampler mit dieser Musik auf den Markt gebracht: „Salsa Brava“, aus der bewährten Vamos!-Reihe und „Merengue from New York“.

Bei beiden CDs stammen die Interpreten bzw. Titel aus dem Big Apple, von der riesigen Latino-Gemeinde dort. Musik für die Hüften!

Das niederländische Label Otrabanda widmet sich u.a. aktuellen und historischen Aufnahmen karibischer Musik, vor allem aus Curaçao: Sänger Oswin Chin Behilia trägt auf „Bendishon disfrasá“ seine schönen Balladen in der Kreolensprache Papiamento vor, ebenso wie das Conjunto Cristal oder das Sexteto Gressmann, deren Aufnahmen aus den 1950er Jahren auf der Sammlung „Riba Dempel“ aufgrund der Tonqualität eher etwas für Sammler sind.

Die Gruppe Serenada singt auf „Flor di amor“ u.a. auch historische Titel in Papiamento, arrangiert sie aber zeitgemäß.

Reggae- und Calypso-Sounds beschert uns die CD „Hifi-Calypso“ (Exil), die der Franzose Karl Zéro mit Bob Marleys ehemaliger Begleitband, den Wailers, eingespielt hat.

Eigentlich Komiker von Beruf, beweist der Sänger, dass sich diese Musik sehr gut mit Humor verträgt, vor allem bei Coverversionen wie „Coconut woman“ oder „man smart“ von Harry Belafonte.

Aus Kuba kommt Felix Baloy: Der sonero hat schon in vielen bekannten Formationen der Insel gesungen, darunter Orquesta Elio Reve, Son 14, Adalberto Alvarez y su son und Afro Cuban All Stars, bevor er unter eigenem Namen Alben einspielte.

Das aktuelle Album „Un poquito de fé“ (Tumi) präsentiert neben sones auch Boleros, alles schön arrangiert, auch tanzbar, und mit einigen bekannten Gastmusikern wie Tata Güines oder Amado Valdés.

Musik aus mehreren Ländern des lateinamerikanischen Kontinents findet sich auf dem Sampler „Music from the Chocolate Lands“ aus dem Hause Putumayo/Exil.

Die wie immer sehr liebevoll mit Bildern und Informationen ausgestattete CD präsentiert neben Künstlern aus afrikanischen und asiatischen Kakaoanbauländern, Interpreten aus Brasilien, Belize, Peru und Kuba. Tolle Musik zur Tasse heißer Schokolade!

Cover: amazon