Traurige Klänge zur Krise (08/2012)

Drei neue Produktionen aus Portugal stehen heute auf meiner Liste. Nicht unbedingt Musik für den Sommer, aber angesichts der Krise angebracht, obwohl Portugal von den „Südstaaten“ die Wirtschaftskrise noch am besten meistert.

Mísias neue, extravagante Frisur läßt nicht darauf schließen, dass sich ihr neues Album, „Senhora Da Noite“, wieder dem traditionellen Fado zuwendet, im Gegenteil. Aber tatsächlich stammen die meisten der 13 Titel aus dem klassischen Repertoire und sind entsprechend instrumentiert – portugiesische Gitarre, Gitarre, Bassgitarre –, ergänzt hier und da um Akkordeon, Geige und Klavier, was aber auch schon als „klassisch“ gelten darf, seit Mísia diese Instrumente vor 20 Jahren, begleitet von viel Widerstand, in den Fado einführte.

Mísia
Senhora Da Noite
Pinorrekk / Edel

Die Texte hingegen stammen nicht aus dem „klassischen“ Fado-Repertoire, sondern wurden von Dichterinnen verfasst, entweder direkt für Mísia oder von ihr ausgesucht. So wählte sie für den instrumentalen Klassiker „Fado das violetas“ Worte der 1930 gestorbenen Dichterin Florbela Espanca aus, für „Ulissipo“ ein Gedicht von Rosa Lobato de Faria. Für das Titelstück, dessen Musik vom Gitarristen Armandinho komponiert wurde, schrieb Hélia Correia über eine geheimnisvolle Frau in der Nacht, „Tarde longa“ von Lidia Jorge, handelt von der Liebe, wie überhaupt fast alle der Stücke. Mísia hat nur für den Fado-Menor „O manto da rainha“ selbst einen Text verfasst. Heraus sticht der fröhliche Fado-Corrido „Garras dos sentidos II“, in dem es heißt: „Leidenschaften sind ein fröhliches Fest der Tränen“. Die Rückwendung zum klassischen Repertoire wird unterstrichen durch einen fröhlichen Potpourri traditioneller Fados mit Texten der „Königin“ des Fado, Amália Rodrigues.

Auch Mafalda Arnauth widmet sich auf „Fadas (Feen) dem traditionellen Fado. Aus einem Konzert von Standards ging die Idee hervor, den bedeutenden Frauen des Fado ein Album zu widmen. So interpretiert sie Titel, die von Legenden wie Amália Rodrigues, Hermínia Silva, Fernanda Baptista und anderen gesungen wurden, erweitert um ein Stück von Astor Piazzolla („Invierno porteño“) mit einem Text von Eládia Blásquez.

Mafalda Arnauth
Fadas
galileo mc

Allerdings erweitert sie die klassische Instrumentierung, so dass auch schon mal ein Saxophon erklingt („Marujo portugues“), ebenso Akkordeon („Vira da minha rua“) und Cello („Antigamente“) – und auch Bläsersätze finden ihren Raum. Nicht alles klingt melancholisch, „Tendinha“ flott, „Vou dar de beber à alegria“ sogar fröhlich. Ein innovativer und respektvoller Umgang mit dem traditionellen Fado.

Dona Rosa macht es noch einmal anders. Ihre Lieder sind überwiegend nicht dem klassischen Fado zuzurechnen, trotzdem klingt ihr Gesang ähnlich und ist von gleicher (oder größerer?) Melancholie durchdrungen. Sie singt eher Volkslieder oder Fado-Castiço, eine volkstümliche Variante. Auf „Sou luz“ wechseln sich Ohrwürmer, wie „Mudei de olhar“ oder „Lago de ontem“, die als Folk-Pop durchgehen, mit bekannten Melodien, wie dem (Kinder)Lied „Alecrim“ ab, und schrappen dabei manchmal nah am Kitsch vorbei.

Dona Rosa
Sou Luz
Jaro

Dann aber erdet uns die blinde Sängerin wieder mit traurigen Balladen („Asa de anjo“), einem traditionellen Lied, „Nesta terra portuguesa“, in dem sie nur die Triangel spielt, so wie sie es viele Jahre als Straßensängerin gemacht hat, oder mit ihrer eingesprochenen, traurigen Lebensgeschichte, die von eben diesem Leben auf der Straße berichtet, von ihrer Erblindung und weiteren Schicksalsschlägen: „Ich schließe meine Augen, um besser sehen zu können!“

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