Raimon vs. Love, Peace and Poetry (09/2003)

Die monatliche Kolumne zu Musik aus Lateinamerika, der Karibik, Spanien und Portugal. Hier findet ihr Folklore, Latinjazz, Rock und Elektroakustik neben Speedmetal, Funk und Kammermusik. Ob Tango, Kaseko, Guajira, Flamenco, Fado, Axé, Punta oder die Mischung aus allem, hier kommt es auf den Prüfstand. Vorgehört und serviert von Torsten Eßer.

40 Jahre steht der katalanische Liedermacher und Poet Raimon nun schon auf der Bühne. Mit Stücken wie „Al vent“, „Sobre la pau“ und „He mirat aquesta terra“ wurde er berühmt und zum Gegner der spanischen Diktatur unter Franco. Seit 1961 sang der Geschichtsstudent aus Valencia vor Kommilitonen, 1963 erfolgten dann der Durchbruch und Auftritte auf großen Bühnen. Er gehörte zu den Begründern der so genannten Nova Cançó-Bewegung, einer Gruppe von Musikern, die gegen die Diskriminierung und Unterdrückung der katalanischen Sprache und Kultur ankämpfte.

Raimon
Recitals al Palau (live)
Picap/ galileo mc

Nova Integral Edició 2000 (1-9)
Picap/ galileo mc

Neben Raimon gehörten u.a. Manuel Serrat, Maria del Mar Bonet und Lluis Llach dazu. Ihre Lieder im Stile französischer Chansons handelten – oft in bissiger Ironie – von Kampf und Liebe. Sie vertonten aber auch zeitgenössische katalanische Dichter und machten sie so bekannt. Heute singen sie – zeitgemäß – gegen Globalisierung und Krieg.

Aus Anlass des 40-jährigen Bühnenjubiläums Raimons‘ sind 2002 in Spanien die Live-CD „Recitals al Palau“, ein Mitschnitt von 1997, und die CD-Serie „Nova Integral Edició 2000“ erschienen, die nun auch bei uns erhältlich sind. Von den neun CDs enthalten Nr. 1 bis 5 einen Querschnitt des Werkes von Raimon, während Nr. 6 bis 8 thematisch angelegt sind und sich mit der Vertonung von Texten moderner und historischer katalanischer Dichter befassen. Album Nr. 9 ist eine Doppel-CD mit weiteren Live-Aufnahmen. Die Luxus-Box enthält ein 300seitiges Booklet mit Liedtexten in vier Sprachen und einer ausführlichen Biographie des Sängers.

 

Die wilden 60er: Timothy Leary predigte die bewußtseinserweiternde Wirkung von LSD und The Doors und andere lieferten den Soundtrack dazu. Kokablätter und Kakteen und Pilze mit halluzigener Wirkung wachsen in Lateinamerika fast immer in Reichweite und auch Rockmusik gab es ab den 60ern reichlich. Trotzdem ist es weitestgehend unbekannt, dass es auch in Lateinamerika eine Szene gab, die sich der psychedelischen Musik widmete. Einige Sammler und Liebhaber dieser Klänge ermöglichen uns auf zwei CDs nun einen kleinen Einblick in diese Musik.

Von Mexiko (Kaleidoscope) bis Chile (Los Mac‘s) reihen sich 3-Minuten-Psychoperlen auf der „Latin American Collection“ aneinander. Psychedelische „Albträume“ wie aus der Frühzeit von Pink Floyd und fröhliche Flowerpower-Songs á la Scott McKenzie wechseln sich ab, die englischsprachigen Stücke der peruanischen Bands Laghonia und Traffic Sound klingen wie die Musik ihrer Vorbilder Stooges, Byrds oder Small Faces.

Love, Peace and Poetry
Latin American Psychedelic Music
Normal QDK 022

Brazilian Psychedelic Music
Normal QDK 043

Argentinien war in den 60ern ein Vorreiter in Bezug auf Rockmusik: So eröffnet die Band Almendra den Reigen und Los Gatos bestechen mit ihrem visionären Stück „Cuando llegue el año 2000“.

Bands wie Os Lobos, Liverpool oder Bossa Nova-Veteran Marcos Valle setzen auf „Brazilian Psychedelic Music“ diese geniale Idee auf portugiesisch fort.

Bei ihnen kommt meistens noch die Energie der afrobrasilianischen Musik hinzu und deren Instrumente, so dass sich einige Stücke zwischen Psycho und Karneval bewegen, wie „I need you“ von O Têrço. Eine der rarsten LPs Brasiliens stammt von der Gruppe Spectrum, deren Sänger an Demis Roussos von Aphrodite‘s Child erinnert. Auch sie ist hier vertreten. Nicht zuletzt die Cover verleiten zum Kauf dieser brillianten Tonträger: Fotomodell Cheryl Shrode posiert stellvertretend für die fröhliche Seite der 60er Jahre.

Cover: amazon