Nachrichten aus Kuba (Teil 1)

Leonardo Padura ist einer der bedeutendsten Vertreter der gegenwärtigen kubanischen Literaturszene. Weltweit bekannt machten ihn seine in den 80er und 90er Jahren publizierten Kriminalromane rund um den Detektiv Mario Conde. Zuletzt wurde Padura für seinen Roman „Der Mann der die Hunde liebte“ (2009) von der Kritik gefeiert. Das Buch rekonstruiert die Geschichte der Ermordung Leon Trotzkys durch Ramón Mercader. Wir trafen Padura in Brasilien, wo er Anfang Juli an dem Literaturfestival FLIP teilnahm.

Die Hochzeiten der lateinamerikanischen Literatur, angefeuert durch den „Magischen Realismus“, sind vorbei. Wie steht denn die lateinamerikanische Literatur derzeit im globalen Literaturbetrieb da?
Da hat sich viel verändert. Die Epoche des magischen Realismus hat etwas besonders Wichtiges erreicht, nämlich ein Bild von Lateinamerika zu vermitteln das man in Europa nicht kannte. Und plötzlich waren da 8, 10 oder sogar 15 Schriftsteller von allererstem Rang.

Jetzt ist alles anders geworden. Die Logik des Publishings hat sich weltweit verändert, man liest weniger, man verkauft weniger Bücher. Und der Stellenwert der Schriftsteller ist heute wesentlich geringer als damals. Heute haben es die lateinamerikanischen Schriftsteller schwer, sich einen Platz auf dem Weltmarkt zu ergattern.

Was hätten denn die Schriftsteller Lateinamerikas dem Rest der Welt an aktuellen Themen zu bieten?
Wir bilden das moderne Leben in Lateinamerika ab. Zur Zeit des magischen Realismus dominierten noch die Themen des ländlichen Lebens die Literaturszene, wie „100 Jahre Einsamkeit“, die Geschichte eines kleinen, in der kolumbianischen Küstenregion verlorenen Dorfes. Heute schreibt man über Städte wie Lima, Rio de Janeiro, Buenos Aires oder Havanna. Diese neue Literatur hat einen viel stärker urban geprägten Charakter, und in ihrem Mittelpunkt stehen Themen wie der Drogenhandel, die Gewalt, Angst und soziale Konflikte. All diese Themen sind heute viel präsenter.

Ihre Kriminalromane sind von nordamerikanischen Schriftstellern wie Dashiell Hammett und Raymond Chandler inspiriert. Wie nah ist die US-Kultur eigentlich der lateinamerikanischen?
Im Fall Kubas ist man sich schon sehr nah. In Lateinamerika insgesamt ist diese Nähe jedoch von Land zu Land verschieden. Manche stehen den USA sehr nahe, andere weniger. Und manche stehen praktisch als Antagonisten zur US-amerikanischen Kultur.
Was Kuba und die USA angeht, hat man zahlreiche Verbindungen im Bereich der Musik. Der Latin Jazz ist ja ein äußerst bedeutender Musikstil, und er ist das Resultat des Zusammenwirkens von kubanischen Musikern, die in New York lebten, mit der dortigen schwarzen Musikszene. In den vierziger Jahren entstand damals der Ursprung des Latin Jazz, der Cubop.

Zudem hat die US-Literatur einen großen Einfluss in Kuba gehabt. Ich habe als Autor sehr viel von den US-Literaten des 20. Jahrhunderts gelernt, allen voran Hemingway, Faulkner, Dos Passos, Salinger und natürlich den Krimiautoren wie Hammett und Chandler. Aber meine literarischen Referenzen sind noch viel breiter aufgestellt, sowohl was meine Krimis wie die Romane angeht.

Und manchmal stehen meine Romane viel mehr in dieser Krimi-Tradition als meine Kriminalliteratur. Denn ich benutze die Instrumente des Krimigenres um Literatur zu kreieren. Ich wende punktuell die Form, die Struktur und die Erzählstruktur des Kriminalromans an, weil mir dies als ein sehr effizienter Kommunikationskanal mit den Lesern erscheint.

Woher kommt denn diese Liebesbeziehung zum Krimi?
Mir gefällt dieser Stil ganz einfach, und deshalb las ich viel von Hammett und Chandler, und anderen. In den 80er Jahren habe ich dann Schritt für Schritt die jüngeren Krimiautoren entdeckt, wie den Spanier Manuel Vásquez Montalbán, der in seiner Literatur einen viel stärkeren sozialen Ansatz hatte. Und natürlich den Brasilianer Rubem Fonseca, für den der Blick auf die Gesellschaft stets wichtiger war als die Kriminalhandlung. Und genau das habe ich auch in meinen Büchern umzusetzen versucht.

Und ich bin da nicht der einzige, vielmehr ist das eine globale Bewegung. Schauen Sie wie viele gute Krimiautoren es in Skandinavien gibt, allen voran Henning Mankell, den ich für einen großartigen Autor halte. Diese Autoren gehen bei der Erschaffung ihrer Figuren sehr tief, genau wie in der Beschreibung der auf den ersten Blick perfekt erscheinenden Gesellschaften. Und alle diese Autoren haben dann die dunklen Seiten dieser Gesellschaften aus dem Verborgenen gehoben und für alle sichtbar gemacht.

Fotos: Thomas Milz

Nachrichten aus Kuba (Teil 2)