Emanzipation durch kommunalen Tourismus

Sie bauen Gemüse an, widmen sich der Hühnerzucht und erziehen die Kinder. Sie stehen in der Morgendämmerung auf, waschen die Wäsche, putzen, kochen und übernehmen die Pflege der Schwiegereltern.

Außerdem sammeln sie Brennholz, hüten die Schweine und ernten Mais bis sie am Abend müde ins Bett fallen. So oder so ähnlich sieht der Alltag vieler Landfrauen in Costa Rica aus. Sie leben in kleinen Dörfern, sind zumeist arm und ordnen sich pflichtbewusst ihren Ehegatten unter. Schließlich sind es die Männer, die die Entscheidungen treffen und als Fischer, Jäger oder Plantagenarbeiter etwas Geld verdienen.

Es war ein Tag wie jeder andere als Mayra und Xenia in dem 300-Seelen-Dorf Los Planes beieinander saßen. Die beiden Bäuerinnen träumten von einer besseren Zukunft, in der sie selbst Geld verdienen und in Harmonie mit der Natur leben würden. Sie malten sich aus, eine Unterkunft für Touristen zu errichten und den Regenwald um Los Planes in ein Reservat zu verwandeln. „Wir haben anderen Frauen von unserem Traum erzählt, bis wir genügend waren, um für seine Realisierung zu kämpfen.“ Nachdenklich erinnert sich Mayra an jene Zeit als sie noch nicht wussten, wie man ein kommunales Tourismusprojekt auf die Füße stellt.Es war ein Tag wie jeder andere als Mayra und Xenia in dem 300-Seelen-Dorf Los Planes beieinander saßen. Die beiden Bäuerinnen träumten von einer besseren Zukunft, in der sie selbst Geld verdienen und in Harmonie mit der Natur leben würden. Sie malten sich aus, eine Unterkunft für Touristen zu errichten und den Regenwald um Los Planes in ein Reservat zu verwandeln. „Wir haben anderen Frauen von unserem Traum erzählt, bis wir genügend waren, um für seine Realisierung zu kämpfen.“ Nachdenklich erinnert sich Mayra an jene Zeit als sie noch nicht wussten, wie man ein kommunales Tourismusprojekt auf die Füße stellt.

Hilfe kam von ACTUAR, einer staatlich subventionierten Organisation, die ländlichen Tourismus in Costa Rica fördert. Die Frauen nahmen an Seminaren teil, gründeten einen Umweltschutzverein und bauten ein Gästehaus aus einheimischen Hölzern.

Tesoro Verde heißt die gemütliche Öko-Lodge. Sie liegt auf der traumhaften Halbinsel Osa, bietet Platz für 18 Personen und wird von zwölf Hektar geschütztem Regenwald umgeben.

Im offenen Speiseraum servieren die Frauen Hausmannskost. Die Produkte kommen aus der Umgebung, Solarstrom und der sparsame Umgang mit Wasser sind eine Selbstverständlichkeit. Auf Wunsch organisiert Mayra Tageswanderungen in den nahen Nationalpark Corcovado. Er ist eine der artenreichsten Zonen der Welt, so dass man gar nicht viel Glück benötigt, um Brüllaffenfamilien, Faultiere, Hellrote Aras, Kaimane, Nasen- und Ameisenbären zu Gesicht zu bekommen.

Der Halbinsel vorgelagert ist die Isla del Caño, deren Korallenriffe ein Paradies für Schnorchler und Taucher sind. Bei einem Bootsausflug zu der Insel kann man Delfine und Meeresschildkröten beobachten, sowie unter Wasser Riffhaien, Mantarochen, Papagei- und Nadelfischen folgen (Infos unter www.actuarcostarica.com).

Mayra und ihren Freundinnen gelang es, ihren Traum von einem selbstbestimmten Leben in Los Planes zu verwirklichen. Was sich heute so einfach anhört, war allerdings harte Arbeit. Die Frauen erzählen vom Kampf mit ihren Ehemännern, die zunächst kein Verständnis dafür hatten, dass die Mütter ihrer Söhne eigene Ideen entwickeln: „Warum sollen Frauen an Tourismusseminaren teilnehmen? Und außerdem: Wer kümmert sich in dieser Zeit um Küche und Kinder?“

Gleiches berichtet Bernarda im Talamanca-Gebirge. Sie gehört dem Stamm der Bribrí-Indígenas an und lebt in der abgelegenen Gemeinde Yorkín.

Auch hier haben die Frauen ein kommunales Tourismusprojekt initiiert, als finanzielle Alternative zur Arbeit ihrer Ehemänner auf den Bananenplantagen der Fruchtmultis.

Die Männer kamen nur selten nach Hause. Außerdem erkrankten viele an Hautausschlägen, Magengeschwüren und Krebs wegen der giftigen Chemikalien, die auf die Bananenstauden gesprüht werden.

Zunächst versuchten Bernarda und ihre Freundinnen selbst gebastelten Schmuck an die Touristen am Strand von Puerto Viejo zu verkaufen. Allerdings waren die Kosten für den Transport vom Dorf zur Küste so hoch, dass sich das Geschäft mit dem Kunsthandwerk nicht rechnete. „Wenn es sich nicht lohnt, dass wir zu den Touristen fahren, dann sollen die Touristen eben zu uns kommen, dachten wir damals.“ Lachend erzählt Bernarda, dass so die Idee für ihr Tourismusprojekt entstand. In Seminaren der Nichtregierungsorganisation ANAI lernten die Frauen Yorkíns, wie man ein Gästehaus baut, traditionelle Speisen touristengerecht serviert und europäische Großstädter durch den wuchernd-grünen Regenwald führt. Außerdem wurden sie dafür sensibilisiert, dass es auch als Frau wichtig ist, das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen, selbständig Entscheidungen zu treffen und sich zu behaupten. „Wir haben nun ein viel höheres Selbstwertgefühl als früher, was unsere Ehemänner nicht unbedingt schätzen. Sie waren es gewohnt, dass wir das tun, was sie sagen. Heute widersprechen wir ohne zu weinen und verdienen unser eigenes Geld.“

Bernarda ist stolz auf die Emanzipation der Frauen Yorkíns, auch wenn es sie traurig stimmt, dass zwei Ehen daran zerbrachen.

Yorkín kann man nur mit dem Boot erreichen, wobei schon die Kanufahrt durch den Regenwald ein ganz besonderes Reiseerlebnis ist.

In der Gemeinde angekommen, wird man von den Bribrí-Indígenas herzlich begrüßt und liebevoll in ihre Bräuche eingeführt. Die Frauen zeigen, wie man aus Kakaobohnen Schokolade macht und mit Palmblättern Dächer für Pfahlhäuser knüpft. Großen Spaß macht eine Wanderung hoch zum Aussichtspunkt Cerro Bella Vista. Gesäumt wird der steile Dschungelpfad von Mahagoni-, Zedern- und Bergmandelbäumen, in deren Ästen prächtig gefärbte Tukane kreischen. Auf skurrilen Farnen paaren sich knallrot schwarze Pfeilgiftfrösche, während am Boden fleißige Blattschneideameisen riesige Blattteile auf ihren kleinen Körpern balancieren.
Julio ist ein begnadeter Regenwaldführer und arbeitet nun, wie einige andere Männer auch, im Tourismusprojekt der Frauen. Die treffen nach wie vor die finanziellen und konzeptionellen Entscheidungen. Ihre Ehegatten übernehmen Wandertouren und Kanufahrten (Infos unter www.actuarcostarica.com).

Auch in Guaytil haben die Frauen eine Geschäftsidee realisiert, die heute beiden Geschlechtern Arbeit bietet.
Um ihre Lebensqualität zu verbessern, schlossen sich ein paar Dorfbewohnerinnen in einer Kooperative zusammen und begannen, Töpferwaren in der Tradition ihrer Vorfahren für Touristen herzustellen.

Tonerde und Naturfarben stammen aus der Umgebung Guaytils. Daraus werden Vasen, Töpfe und Schüsseln geformt und mit jahrtausendealten Motiven der Chorotega Indígenas verziert. „Zunächst waren unsere Männer von unserem Engagement im Tourismussektor nicht begeistert. Sie sträubten sich sogar lange, in unserer Kooperative mitzuhelfen, da Töpfern und Malen nicht ihrer Vorstellung von Männlichkeit entsprachen.“ Kopfschüttelnd denkt Nury an die anfänglichen, machistischen Vorbehalte ihrer Ehepartner zurück, zumal heute ganze Familien in die Herstellung der Keramiken involviert sind. Die Besucher Guaytils können nun in den Gärten der Häuser Kunsthandwerkerinnen und -werkern verschiedener Generationen bei der Arbeit über die Schulter schauen: der Sohn stampft den Ton, der Schwager töpfert, die Tochter bemalt Vasen, die Enkelin poliert Teller, die Schwester graviert Tassen und der Ehemann überwacht den Brennvorgang der Einzelstücke im igluförmigen Lehmofen.
Die Töpferwaren aus Guaytil haben in Costa Rica Berühmtheit erlangt und werden von Reisenden sehr gerne als Mitbringsel gekauft.

Neben beruflichem Erfolg und Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit sehen die Frauen der drei besuchten Gemeinden einen weiteren Vorteil im kommunalen Tourismus: Da sie berufstätig sind, müssen die Ehemänner bei der Hausarbeit und Kinderbetreuung mithelfen, so dass traditionelle Rollenmuster verblassen. Ihre Söhne lernen so im Alltag, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Außerdem sind sie sicher, dass ihre Töchter mit einem höheren Selbstwertgefühl als sie selbst in den Stand der Ehe treten werden.

Einen Fehler sollen diese später als Mütter nämlich auf keinen Fall machen: Die eigenen Söhne zu Machos erziehen, was in der costaricanischen Gesellschaft üblich ist.

Fotos: Dr. Jutta Ulmer + Dr. Michael Wolfsteiner
Weitere Informationen zu den Autoren und ihrem Projekt findet ihr unter:
www.lobOlmo.de