Ein Stück Afrika in Lateinamerika (03/2012)

Entkommene Sklaven gründeten an Kolumbiens Karibikküste im 16./17. Jahrhundert das Dorf San Basilio de Palenque. Es bildete sich dort eine eigene auf Bantu und Spanisch basierende Kreolsprache, das Palenquero, heraus, das aufgrund der Isolation der Siedlung bis heute von etwa 2.500 Menschen gesprochen wird. Die Nachkommen jener Sklaven versuchen auch in der heutigen Zeit ihr kulturelles Erbe zu erhalten. Dazu zählt unter anderem die sehr stark afrikanisch geprägte Musik.

Diverse
Jende Ri Palenge
Soul Jazz Records

Zwei kolumbianische Dokumentarfilmer besuchten San Basilio de Palenque als dort im Jahr 2008 mit Hilfe einer niederländischen Stiftung das erste Tonstudio in Betrieb genommen wurde, um das musikalische Erbe zu bewahren. Sie blieben drei Monate, filmten und nahmen Musik auf. Das Londoner Label „Soul Jazz Records“ hat nun das Ergebnis dieser Arbeit veröffentlicht. Neben einer DVD mit dem 37minütigen Film, der drei Musiker des Dorfes begleitet, gehören zwei CDs zum Projektpaket mit dem Namen „Jende Ri Palenge“ (Menschen aus Palenque).

Das erste Album beinhaltet Originalaufnahmen lokaler Stile wie Bullerengue oder Son Palenquero, gespielt von den lokalen Musikern, u.a. den drei Filmprotagonisten: der 85jährige Heiler Sikito hat in seinem Leben über hundert Lieder „geschrieben“, die er als Analphabet allerdings nur in seinem Kopf bewahrt. Zum ersten Mal ergab sich für ihn mit diesem Projekt die Gelegenheit, Lieder wie „Padre no mande en su casa“ auch aufzunehmen. León Torres, Gründer der Gruppe „Las Estrellas del Caribe”, dagegen kann auf Aufnahmen von Afro-Palenquero-Musik aus den 80er und 90er Jahren verweisen. Nun konnte er neues Material einspielen. Und schließlich der blinde Sänger Panamá, der Son Palenquero-Stücke einspielte, eine lokale Variante des kubanischen Sons, der mit Plantagenarbeitern in den 1930er Jahren nach Kolumbien kam. Panamá formte für die Aufnahmen das Sextett „To Ane e Lo Memo“, das auch die Marímbula spielt, und interpretierte einige seiner über 150 Songs in Palenquero. Panamá sagt im Film den wunderbaren Satz: „Wir sind nur aufgrund eines Unfalls in Palenque, wir sollten alle auf dem Schwarzen Kontinent sein, in Angola“.

Und damit das Projekt nicht nur für Musikethnologen interessant ist (und sicher auch aus finanziellen Gründen), enthält die zweite CD Remixe dieser Stücke von House-, Dubstep- und sonstigen DJ’s wie Osunlade, Matias Aguayo, Subway u.a. Sie verstärken die perkussiven, tanzbaren Elemente der Originale und mischen mehr oder weniger originelle Klangideen darunter. Ein Vergleich der Titel, z.B. von „Palenque, un rincón de Africa“ von Manuela Torres oder Kalabrese ist eine spannende Sache, partytauglich sind sie beide in jedem Fall.

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