Die Liebe zum Flamenco (06/2009)

Was haben ein gitano aus Katalonien, ein Deutsch-Japaner aus Düsseldorf und ein 19-jähriger Kastilier aus der Mancha gemeinsam? In unserem Fall die Liebe zum Flamenco, die sie auf neuen Alben dokumentieren.

Duquende
Live in Cirque D´Hiver Paris
flamenco records / galileo mc

Juan Rafael Cortés Santiago, bekannt als „Duquende“, liefert mit seinem Live-Album, aufgenommen im „Cirque D´Hiver“ in Paris, unter den drei Neuerscheinungen sicher die eindruckvollste Aufnahme ab. Voller Leidenschaft präsentiert er, nur begleitet vom kristallklaren Spiel des Gitarristen Juan Gomez „Chicuelo“ und den Rhythmen des Cajon, gespielt von Isaac Vigueras „El Rubio“, traditionelle bulerías, soleás etc; eine Reduktion auf das Wesentliche, die zu den Wurzeln des Flamenco zurückführt, als der Gesang noch das wichtigste (und oft einzige) Element dieser traditionellen Musik war.

Die ausgewählten Stücke stammen von berühmten Sängern wie Juan Talega oder „Terremoto“, seine afillá-Stimme (sehr rauh) fliegt geradezu durch die von Leid geprägten Textzeilen. Duquendes Gesang ähnelt dem seines Vorbildes Camarón de la Isla, der in den 70er Jahren durch die Dehnung der Silben und eine neue Instrumentierung dem Flamenco neues Leben einhauchte. Mit ihm stand Duquende als Neunjähriger auf der Bühne, damals noch als Gitarrist. Aber auch der Einfluss von Paco de Lucia ist spürbar, mit dem der Sänger mehrere Jahre zusammen arbeitete. Unbändige Lebenslust und tiefste Verzweiflung tränken die meisterhaften Interpretationen der alten cantes. Seit 1996 steht der in Sabadell geborene cantaor regelmäßig auf der Bühne des „Cirque D´Hiver“ und das Publikum feiert ihn immer noch stürmisch, wie diese Aufnahme belegt.

Michio
Así nada más
Alameda / galileo mc

Für einen Deutsch-Japaner aus Düsseldorf liegt es nicht unbedingt nahe, Flamencogitarrist zu werden. Michio kümmerte das wenig und so werden seine Alben heutzutage selbst im Mutterland des Flamenco hoch gelobt. Drei sind es an der Zahl, das neuste Werk heißt „Así nada más“ und versammelt – wie das erste – nur Eigenkompositionen. Das zeugt von Selbstbewusstsein, das aber gerechtfertigt ist, denn hier paart sich höchst anspruchsvolle Spieltechnik mit frischen Ideen. Die Palette reicht von einer Bulería wie „Ignition“, bei der gekonnt ein E-Bass und eine Shakuhachi (japanische Längsflöte) zum Einsatz kommen, über die Fusion von Flamenco und Jazz („Paco ni canpai“) bis zu klassischen Ausflügen in den Soli von „Mientras Te Espero“. Hervorheben möchte ich „Patito feo“, ein sehr komplexes Stück, das seinen Reiz aus der Kombination von Gitarre, E-Bass und einer wehmütig gespielten Melodica gewinnt und sogar ein wenig „rockt“, ähnlich einigen Titeln der Gruppe Ojos de Brujo aus Barcelona. Im Titel „Anhelo“ fügt die Shakuhachi den Gitarrenläufen erneut ein fernöstliches Flair hinzu. Einzig die Popballade „Date vuelta“, über eine Liebesbeziehung in der Krise, muss als kitschiger Einfall betrachtet werden.

Bis auf diesen Ausrutscher überzeugt das Album jedoch durch einen Flamencostil, der mit bisherigen Hörgewohnheiten bricht und von Abwechslungsreichtum und Risikofreudigkeit geprägt ist. Sängerin Alicia Carrasco verleiht vier Titeln mit ihrer vollen, klagenden Stimme zusätzlich Flamenco-Charakter.

Israel
Naranjas sobre la nieve
Nuba Records/ Q-rious

Die Stimme von Israel Fernández hingegen klingt – vor allem im direkten Vergleich mit Duquende – noch ein wenig unfertig. Aber er ist ja auch erst 19 Jahre alt und widmet sich außerdem hauptsächlich einer Fusion aus Flamenco und Pop, bei der eher medienkompatibler Gesang als Leidenschaft gefragt ist. Diese Fusionen zählen zum weiten Feld des flamenco nuevo und Titel wie „No sé“ oder die lupenreine Popballade „El amor“ zeigen, wie geschmeidig sich die traditionelle Musik mit anderen Stilen verbinden lässt. „El beso“ erinnert mit poppigen Hintergrundchören und E-Gitarre an die Musik von Ketama, während die tangos „Quién“ und „El barquero“ mit Geige, E-Bass und Piano Ausflüge in den Jazz enthalten.

Nichtsdestotrotz beherrscht Israel den Flamenco: vom polymetrischen Soleástil in „Los cristales de mi alma“ bis zur schwierigen, aus den Bergbauregionen stammenden taranta-Gattung („Reloj sin minutero“) singt er sich gekonnt durch die traditionellen Spielarten des Flamenco.

Bis der in Quintanar de la Orden geborene Sänger allerdings die Qualität seines Idols „Camarón“ erreichen wird, werden noch einige Jahre ins Land ziehen.

Fotos: amazon