Die Kanarischen Inseln sind ein Teil von Afrika!

Anfang Oktober 2011, nach einer Reihe von Erdbeben und Vulkanausbrüchen im Meer (Mar de las Calmas) nahe der Kanareninsel El Hierro, sprach der Moderator einer Diskussionssendung in einem Fernsehsender der Kanarischen Inseln davon, dass als eine der möglichen negativen Folgen dieser Naturphänomene das Gleichgewicht in dieser „artenreichsten Meeres-Biosphäre EUROPAS“ gefährdet sei und bezog sich dabei auf das Mar de las Calmas südlich von El Hierro.

Einen Tag später wurde im gleichen kanarischen Fernsehsender eine Reportage über die Premiere eines kleinen Kaffee-Anbaugebiets auf der Insel Gran Canaria ausgestrahlt und resümierend kommentierte der Verfasser dieses Beitrags stolz, dass es sich bei dieser Pflanzung um „die einzige Kaffee-Plantage in EUROPA“ handeln würde und bemerkte nebenbei, dass sich auch die einzige „europäische“ Zuckerrohr-Plantage auf Gran Canaria befinden würde.

Beide Kommentare sind ganz einfach falsch, denn die Kanarischen Inseln befinden sich in AFRIKA! Natürlich gibt es keinen Zweifel, dass die Kanaren sowohl politisch als auch kulturell Spanien zugehörig und damit auch politisch und kulturell zu Europa zu rechnen sind. Aber kontinental gesprochen (und die Bemerkungen im Fernsehsender der Kanaren bezogen sich eindeutig auf Geographie, nicht auf politische oder kulturelle Zugehörigkeit) ist diese atlantische Inselgruppe mit dem segensreichen Klima selbstverständlich ein Teil von Afrika. Diese Inseln unterm Passatwind sind hinsichtlich ihrer geographischen Lage – südlich von Marokko und auf dem gleichen Breitengrad wie die zentrale Sahara – eindeutig afrikanisch, ebenso mit Blick auf ihr Klima (subtropisch und keineswegs europäisch), auf ihre Fauna und Flora, Vegetation und Landwirtschaft: die dort wild wachsenden Pflanzen sind entweder endemisch oder afrikanisch und die dort kultivierten Agrarprodukte stammen in der Regel auch aus Afrika (Bananen, Zuckerrohr) oder Amerika (Tomaten, Kartoffeln, Papayas, Mangos) und nicht aus Europa (woher nur der Wein eingeführt wurde).

Aber es scheint so, als ob die Spanier und speziell die Einwohner der Kanarischen Inseln irgendwie „Panik“ vor dem Wort „Afrika“ hätten. Jedenfalls wollen die Kanarier, selbst wenn der Blick auf die Landkarten es ihnen noch so deutlich zeigt, auf gar keinen Fall zugeben, dass ihre schönen Inseln – und damit auch sie selbst – zum afrikanischen Kontinent gehören. Die Schuld an dieser „Afrika-Flucht“ der Kanaren kann man teilweise wohl bei den europäischen Massenmedien suchen, für die Afrika eigentlich immer nur für Negativ-Schlagzeilen interessant zu sein scheint (Hungersnöte und Elend, Kriege, Diktaturen und Massaker). Afrika wird fast nie Raum für eine positive Schlagzeile eingeräumt – und in Spanien auch nur, wenn die Nation sich im fernen Südafrika mal die Krone des Fußball-Weltmeisters aufsetzt.

Wenn schon die Einheimischen nicht wissen (wollen), dass sie zu Afrika gehören, so tapsen die Touristen auf Teneriffa oder Gran Canaria, die nur Strand und Sonne suchen (egal wo, bloß nicht drüber nachdenken) angesichts ihres zeitweiligen kontinentalen Aufenthaltsorts völlig im Dunkeln. Sie wundern sich vielleicht, dass die Vegetation a bisserl exotisch aussieht oder dass in „Europa“ die Sonne (sie) so sehr (ver)brennen kann. Es kann sogar passieren, dass auf dem Balkon des Appartements nebenan eine Gruppe betrunkener Engländer oder Deutscher lauthals über Immigranten und das „dreckige, verdammte Afrika“ ablästern. Denen müsste man zurufen: Was glaubt ihr eigentlich, wo ihr gerade seid?

Jawohl, meine Damen und Herren, Sie befinden sich auf den Kanaren und damit ganz schön in Afrika und unter einer afrikanischen Sonne (die euch hoffentlich hübsch verbrennen wird), ob ihr nun wollt oder nicht. Man muss sich nur umblicken. Die berühmten Dünen von Maspalomas (Gran Canaria) oder die von Fuerteventura sehen aus wie eine Miniatur-Sahara mitten im Atlantik, und sehen die öden Schluchten von Gran Canaria, die Feuerberge von Lanzarote oder die Cañadas del Teide etwa „europäisch“ aus? Sie haben vielmehr Ähnlichkeit mit Schluchten des marokkanischen Atlas-Gebirges oder mehr oder weniger ausgetrockneten Wadis afrikanischer Steinwüsten.

Es kann sein, dass die Kanaren politisch nicht ewig ein Teil Spaniens sein werden, aber sie werden zweifellos – möge das nun ihren Bewohnern oder Besuchern gefallen oder nicht – immer zum großen und großartigen Kontinent Afrika gehören.