Bruno Böhmer Camacho Trio (10/2014)

Vom jahrzehntelangen Bürgerkrieg gezeichnet, hierzulande vor allem wegen Drogendelikten bekannt, hat sich in Kolumbien trotz allem eine lebendige Musikszene erhalten, die sich seit einigen Jahren, nachdem die Konflikte stark abgenommen haben, in den Städten auch wieder internationalisiert. Die traditionellen Genres werden von ausländischen DJs und Musikern, wie z.B. Quantic, gemeinsam mit jungen Musikern oder alten Stars modernisiert. Nicht zuletzt Dank des internationalen Erfolgs der cumbia, beschleunigt durch international tätige DJs und das Internet, verändert sich die Musiklandschaft.

The Columbian Project
Bruno Böhmer Camacho Trio
Sony Classical (Sony Music)

Der seit einigen Jahren in Deutschland lebende deutsch-kolumbianische Jazzpianist Bruno Böhmer Camacho hat mit seinem Trio und Gästen nun auch ein solches „aus alt mach neu“-Projekt auf die Beine gestellt. Das Album führt in seine Kindheit zurück, zu seinen Wurzeln in Kolumbien. Stücke wie die Eigenkompositionen „El gallo mañanero“ (der morgendliche Hahnenruf), wo sich jazzige Passagen und Camachos angenehmer Gesang mit dem fröhlichen porro-Rhythmus der Nordküste mischen, der früher auf indigenen Instrumenten interpretiert wurde, oder „Recuerdos de un pueblito“ (Erinnerungen an ein Dörfchen), bei dem Latin-Jazz auf den joropo trifft, schildern das einfache Leben auf dem Land; auch wenn Camacho in der Millionenstadt Barranquilla aufgewachsen ist. Mit seinen ebenfalls in Deutschland lebenden Landsmännern Juan Camillo Villa (Bass) und Rodrigo Villalón (Schlagzeug) fühlt sich der Pianist in weitere folkloristische Stile ein, wenn er eine traditionelle cumbia entschleunigt („El pescador“) oder sich der Hymne des Karnevals in Barranquilla widmet („Te olvidé“), die im fröhlichen chandé-Rhythmus daherkommt, einer Fusion aus indianischen und afrikanischen Rhythmen. Im son-vallenato „Lloraré“, den Camacho vom Akkordeon auf das Piano umarrangiert hat, ähnelt sein Spiel dem von Gonzalo Rubalcaba.

Neben seinen eigenen und traditionellen Stücken interpretiert Camacho auf „The Columbian Project“ auch drei Kompositionen seines Großvaters, Angel Maria Camacho, einem erfolgreichen kolumbianischen Komponisten: Der flotte pasillo „Inquietudes“ ruft Erinnerungen an Mozarts „Kleine Nachtmusik“ wach und an Eugen Ciceros Stil; in „Agua Panela“ hat der Großvater ein gleichnamiges Erfrischungsgetränk aus Zuckerrohrsaft fröhlich in Szene gesetzt, ein Höhepunkt des Albums nicht zuletzt wegen des genialen Spiels des kolumbianischen Ausnahmeharfisten Edmar Castañeda; der Walzer „Hortensia“ dagegen klingt wegen des Gesangs leider ein wenig kitschig. Überhaupt, wo soviel Licht ist, gibt es natürlich auch ein wenig Schatten: in „El pescador“ steigert sich das im Waschzettel „anmutig“ genannte Klarinettenspiel von David Orlowsky bis zur vierten Minute in ein schmerzhaftes Gekreische, das sehr deutlich die Entbehrungen der Fischer vertont, um deren einfaches Leben es hier geht. Und das Gesangsstück „Camino a casa“ ist für meinen Geschmack eine kitschige Pop-Jazz-Ballade, die auch vom puertorikanisch-mexikanischen Schnulzensänger Luis Miguel stammen könnte (abgeschwächt gilt das auch für „Sin principio y sin final“).

Aber dass ein melancholischer Song nicht kitschig klingen muss, beweist uns Camacho mit „El camino de la vida“, einem traditionellen Walzer, in dem er von Juan David Restrepo genial auf der tiple (kolumbianische Akustikgitarre) begeleitet wird – ein weiterer Höhepunkt des Albums.

Cover: amazon