Aktuelle Alben von Ramón Valle (07/2013)

Nach längerer Abwesenheit kehrte der kubanische Pianist Ramón Valle im April 2013 mit seinen beiden letzten CD-Produktionen im Gepäck in deutsche Konzertsäle zurück. Im Interview sprach er über die beiden Alben.

Auf „Flashes from Holland“ befindet sich zum ersten Mal auf deinen Alben kein rein kubanisches Thema. Verlierst Du den Kontakt zu deinen Wurzeln?
Nein, bei „A Cuban lost“ zum Beispiel ist die cubania ganz stark zu hören. Allerdings handelt die Musik natürlich erstmal von meinen Erfahrungen in Holland. Ich erzähle beispielsweise davon, wie ich nachts mit dem Rad auf dem Weg nach Hause über die Amsterdamer Brücken fahre und sich die Häuser im Wasser spiegeln. So habe ich „Puentes“ komponiert, das sehr stark auf meinem Wissen über klassische Musik beruht. Oder „Nice piece of chess“: Das handelt von Leuten auf der Straße, die mit einem dieser Schachspiele mit riesigen Figuren spielen. Ich sah das eines Tages und als ich näher kam, bemerkte ich, dass mitten unter den Zuschauern eine splitternackte Frau stand… splitternackt… und keinen – abgesehen von mir – interessierte das. Ich habe mir das eine Zeitlang angeschaut bis die Frau mit einem Mann davonging. So als wäre nichts gewesen. Das war schon sehr surreal, fast lateinamerikanisch, obwohl das so natürlich in Kuba nicht vorkommen würde.

Ramón Valle feat. Jesse van Ruller
Flashes from Holland
RVS 2012

Worum genau geht es bei „A Cuban lost“?
„A Cuban lost“ handelt von Ramón, der in Holland verloren ist. Sowohl geographisch, als auch kulturell. Ich wohne in einem Vorort von Amsterdam und anfangs bin ich bei meiner Rückkehr nach Hause dreimal an unserem Haus vorbei geradelt, weil die Häuser für mich alle gleich aussehen. Ich habe auch schon versucht ins Nachbarhaus zu kommen, und ich war nicht betrunken. Aber noch mehr geht es um Kultur. Ich dachte irgendwann, die Niederländer verstehen mich nicht, ich muss meine Musik intellektueller angehen, sie halten das für zu banal. Ab diesem Moment spürte ich keine Musik mehr in mir, keine Inspiration, kein Gefühl. Gott sei Dank sprach ich mit Omar darüber, der schon lange in Hamburg lebt, und er gab mir den Tipp, mein erstes Album zu hören. Ich tat es und merkte, dass ich beim Spielen immer mal wieder „singe“, ohne Text natürlich, so fühle ich die Musik besser. Und das hat mir geholfen. In Holland, in Europa, wird die Musik oft so intellektuell behandelt, dass es für mich schon keine Musik mehr ist, eher Mathematik.

Wie kamst Du auf die Idee Van Goghs Briefe musikalisch zu verarbeiten?
Was mich berührt hat, ist die tiefe Beziehung, die Van Gogh zu seinem Bruder hatte, das war echte Bruderliebe. Sein Bruder hat sich sehr um ihn gekümmert. Und das hat mich an meine Beziehung zu einer meiner fünf Schwestern erinnert. Diese Gefühle passten gut zu einem Thema, das ich schon fast fertig komponiert hatte.

Der Titel „Amsterdam Party Time“ lässt darauf schließen, dass Dir das Leben dort gefällt!
Das stimmt, besonders in Amsterdam, denn das ist ja sehr international. Außerdem gibt es dort viele gute Musiker. Kleiner Nachteil: es gibt nur wenige Orte, an denen man auftreten kann; und da wollen sie dann alle hin. Das Stück handelt übrigens davon, dass wenn ich nachts nach Hause radle, es in vielen Straßen sehr ruhig zugeht. Doch der Schein trügt. Hinter ganz gewöhnlichen Türen feiern Hunderte von Leuten großartige Parties. Amsterdam feiert immer, manchmal eben etwas versteckt.

Was fasziniert Dich an Windmühlen?
Diese „Konstruktion“ ist für mich wie ein Großvater, der unendlich viele Geschichten erzählen kann, über eine lange Zeit, die so eine Mühle arbeitet. Gleichzeitig sind viele Mühlen bis heute in Betrieb und produzieren noch. Welche „Konstruktion“ sonst hat das über die Jahrhunderte geschafft? Außerdem sind sie wunderschön. All’ das hat mich zu dem Thema „De oude molen“ inspiriert.

Sprichst Du denn inzwischen Niederländisch?
Sehr wenig. Der Witz ist, als ich in Holland ankam, konnte ich kein Englisch. Und da ich dort noch keinen Namen hatte, musste ich mich als Musiker wieder „hinten“ anstellen. So ging ich zu Jam-Sessions und dort sprachen alle Englisch miteinander. Ich habe gar nichts verstanden, freundlich gelächelt und nach Gehör gespielt. So habe ich nach und nach Englisch gelernt, aber kein Niederländisch. Jetzt besuche ich allerdings Sprachkurse, schon der Kinder wegen.

Ja, Kinder! Auf dem Album „Playground“ dominieren Titel, die von deinem Sohn Fabio handeln?
Es gab eine Zeit, in der ich nicht viel gespielt und komponiert habe. Als dann mein Sohn zur Welt kam, war das wie ein Feuerwerk, die Ideen sprudelten nur so aus mir heraus. Die CD war im Handumdrehen fertig.

Ramón Valle Trio
Playground
RVS 2010

Normalerweise haben frisch gebackene Eltern ja recht wenig Zeit…
Das stimmt, man muss sich seine Zeit ganz genau einteilen und sich selber gut organisieren. Aber gleichzeitig ist dieser neue Lebensabschnitt sehr anregend. Man nehme nur den Titel „Laberinto“ – inspiriert von einem von Fabios Spielzeugen. Er handelt aber auch von den emotionalen Labyrinthen, durch die wir alle mal wandern – aber die Initialzündung kam von einem Spielzeug. Oder „Playground“, das kommt auch durch Fabio. Mit ihm sitze ich ja oft da und erlebe seine guten und schlechten „Abenteuer“ auf dem Spielplatz mit. Kinder sind eine neue Herausforderung, von morgens bis abends Fragen, und so habe ich dann „El reto“ geschrieben.

Und dann kam das zweite Kind…
Ja, Dayla. Für sie habe ich ein Stück auf „Flashes from Holland“ geschrieben, denn sie ist dort geboren und somit ist das auch ihr Land.

Cover: amazon

Linktipp:
http://www.ramonvalle.nl