Zwei musikalische Perlen aus Kolumbien (07/2015)

Das Musikkästchen gibt seine Schätze frei: Leichte, luftige Melodien, schöne Arrangements, eine süße Stimme und immer wieder überraschende Elemente bzw. Wendungen in den Stücken. Das ist das Erfolgsrezept der kolumbianischen Band Monsieur Periné, welches sie auf ihrem zweiten Album weiterverfolgt und noch verbessert haben. Ihr Swing bzw. Manouche-Jazz, kombiniert mit lateinamerikanischen Rhythmen, sanfter Elektronik und Pop-Elementen ist oft hitverdächtig, so im ersten Titel, „Nuestra canción“, bei dem die zauberhafte Catalina García mit dem dominikanischen Songwriter Vicente García im Duett singt. In weiteren Stücken begleitet sie ihr Partner Santiago Sarabia, der in „Déjame vivir“ sogar alleine singt.

Monsieur Periné
Caja de música
flowfish

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Diese stimmliche Bereicherung bringt noch mehr Abwechslung in die ohnehin alles andere als langweilige Musik, die neben Bass und Schlagzeug u.a. mit coolen Swinggitarren („No hace falta“), Akkordeon („Viejos amores“), dem charango und Andenflöten („Mi libertad“) dargeboten wird, mehrmals angereichert mit Streichern, die aber nie kitschig klingen, sondern rhythmisch agieren oder einem fröhlichen, französischsprachigen Pop-Song einen kammermusikalischen Ausklang bereiten („Tu m’as promis“).

„Turquesa menina“ erinnert in seinem Walzerrhythmus an Titel von Yann Tiersen, in „Año bisiesto“ begleiten schrille Klarinetten und Saxophone das Ende einer Liebe im Schaltjahr, im langsamen und wunderschönen Lied „Marinero Wawani“ erklingt die Marimba, „Lloré“ hat das Zeug zum Pop-Hit. In „Cempasúchil“ besingt Catalina beschwingt die gleichnamige, leuchtende „Aufrechte Studentenblume“ aus der Familie der Astern, die in Mexiko als flor de muertos an Allerheiligen als Dekoration für Altäre und Särge benutzt wird. Instrumental und jazzig klingt die caja de música mit Querflöte und charango aus. Übrigens auch live ein Riesenspaß: Die Gruppe ist im Sommer auf Deutschlandtournee!

Tom Waits singt zu einem verschleppten Blues mit jazzigen Soli über die verlorene Liebe („It’s getting bad“). Das ist der erste Eindruck, den die Scheibe der kolumbianischen Gruppe fatsO erweckt. Im zweiten Stück passt das Thema auch wieder zum Timbre dieser Stimme: in „Snake eyes“ dreht es sich um einen Spieler im nächtlichen Bogotá und im dritten Lied ist der Gesang von Bandleader und Bassist Daniel Restrepo dann endgültig in der Waits’chen Welt angekommen, wenn er bei „Crying out“ das Leid eines verarmten Jugendlichen herausschreit, der wegen Geld zum Killer wird. Aber keine Angst, trotz der tristen Themen und der leidenden Stimme bleiben die Titel jazzig cool. Die Texte von Restrepo sind eben inspiriert durch die schöne, aber auch agressive Hauptstadt Kolumbiens bzw. der Bürgerkriegssituation im Land.

fatsO
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Doch er hebt nicht lehrmeisterhaft den Zeigefinger, wenn er z.B. in „Oye pelao“, dem einzigen spanischsprachigen Titel, über die vielen versprengten Flüchtlinge des Bürgerkriegs singt, die durch Bogotá irren oder über Drogen und ihre Folgen. Oder wenn er die Manipulation der Menschen durch die (monopolartigen) Medien Kolumbiens beklagt („Brain candy“). Die Texte sollen aufrütteln, die Musik unterhalten, was durch die Mischung von Blues, Jazz, Soul und wenigen kolumbianischen Rhythmen – z.B. ein bunde in „Oye pelao“ – sehr gut gelingt, ebenso durch die Instrumentierung mit vier Saxophonisten/Klarinettisten, Gitarre, Bass und Drums. In „I’ll be fine“ klingt Daniel Restrepo dann ein wenig wie Joe Cocker (mit Mundharmonika), wenn er über die innere Abstumpfung der Menschen singt und die einzige Möglichkeit etwas dagegen zu tun: Liebe ins Herz zu lassen! Ein außergewöhnliches Album.

Text: Torsten Eßer
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