Mariachi vs. Spielzeugklavier (04/2008)

Ob auf dem Zócalo von Oaxaca, in US-amerikanischen Bars in Cancún oder natürlich auf der Plaza Garibaldi in Mexico D.F., auf Schritt und Tritt verfolgen den Besucher die Klänge der Mariachi-Gruppen, die sich von einfachen, ländlichen Tanzkapellen im 19. Jahrhundert zum nationalen musikalischen Aushängeschild gewandelt haben. Sie spielen meistens mexikanische sones (jeder kennt „Cielito lindo“), rancheras, corridos oder boleros; auf Wunsch aber auch Opernarien und international bekannte Popsongs. Der spezifische Klang der Mariachi-Trompeten hat seit den 70er Jahren verstärkt Eingang ins internationale Musikrepertoire gefunden: von Rex Gildos „Fiesta Mexicana“ (nicht auf der CD) über Mixe von Techno-DJs (Nortec Collective) bis zu den Mestizoklängen der rumänischen Band ZDOB SI ZDUB.

V.A.
Mariachi – The Sound of Hysteria & Heartache
Trikont / Indigo

Und so finden sich auf dieser spannenden Compilation des österreichischen Journalisten Fritz Ostermayer die verschiedensten Verarbeitungsformen der mexikanischen „Nationalmusik“, wie die lustige Rapversion von „El Mariachi“ aus dem Film „Desperado“ mit Antonio Banderas. Das Original bleibt allerdings unerreicht. Oder die elektronischen Experimente der Mexikaner Nortec Collective und Wakal oder des Japaners Kondo, die die Folklore jeweils auf ihre Art dekonstruieren. Die Indieband Calexico darf mit ihrer Interpretation ebenso wenig fehlen wie die Popsängerin Linda Ronstadt, die sich irgendwann ihrer mexikanischen Wurzeln besann, und eine Platte mit mexikanischer Folklore einspielte. Willy de Villes geniale Mariachiversion von Jimi Hendrix’ „Hey Joe“ ist eine Perle dieses Albums und ein Tanzflächenfüller auf jeder Party.

Wie im echten mexikanischen Leben gibt es natürlich auch schrecklichen Kitsch auf dieser CD, etwa das vom Kinderstar Antonio Eugenio Martínez gesungene „Puno de Tierra“, der Heintjes grausige Stimme noch um Längen schlägt. Verschiedene originale Mariachibands runden die Compilation ab, die die zahlreichen Facetten dieser populären Musik präsentiert.

 

Pascal Comelade könnte man als Musikclown bezeichnen, verwendet er doch häufig Spielzeuginstrumente zur Erzeugung seiner Kompositionen. Aber der südfranzösische Katalane ist ein ernsthafter Musiker, der seit 1975 diverse Film- und Theatermusiken komponiert hat. Insofern könnte er eine Quelle der Inspiration für Yann Tiersen („Amelie“) gewesen sein, dessen Stil seiner Musik ähnelt.

Pascal Comelade
Mètode de Rocanrol
Because Records /Q-rious

Sein aktuelles Album „Mètode de Rocanrol“ sei „eine verzauberte Spieldose“ heißt es im Waschzettel und das stimmt: Zwischen Kinderklavier, Karussellmusik, Spieldosen, Melodica und Akkordeon schimmern immer wieder Kompositionen durch, die denen von Eric Satie ähneln. Aber auch Tango-, Rumba- und Blues-Elemente finden Eingang in seine humorvollen und lebhaften, selten sentimentalen Stücke, zu denen sich wenig Vergleichbares auf dem Musikmarkt findet. Comelade hat Erfolg in Frankreich und noch größeren in Katalonien (wo er auch schon mit Lluís Llach aufgetreten ist), hoffentlich bald auch im Rest der Welt. Diesem außergewöhnlichen Hörerlebnis ist es zu gönnen.

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