Herbstmusik und Elfenklänge (09/2015)

Es wird (leider) Herbst und dazu gibt es ein passendes Album: Der kubanische Liedermacher Pablo Milanés und sein Landsmann, der Pianist und Komponist José María Vitier, vertonen Vitiers sowie weitere literarische Texte. Los geht es mit Texten von zwei Schwergewichten der lateinamerikanischen Literatur: dem Nicaraguaner Rubén Dario und der chilenischen Literaturnobelpreisträgerin Gabriela Mistral. Darios „Canción de otoño“ eröffnet das Album und zieht mich tatsächlich direkt in eine herbstlich, melancholische Stimmung, die sich durch das eher belebte Arrangement von Mistrals‘ Gedicht „Besos“ wieder ein wenig aufhellt.

Pablo Milanés / José María Vitier
Canción de Otoño
Fol Música / galileo mc

Grundsätzlich aber ist dies ein Album zum Zuhören, zum Nachdenken über die Texte. José María Vitier hat sehr schöne und passende Musik für sein Klavier zu den Texten von u.a. José Martí, Ernesto Cardenal oder Federico García Lorca verfasst, die sich um die verflossene, die ewige oder die aktuelle Liebe drehen, oder um das Vaterland (Cuba).

Aus Brasilien schweben die Klänge von „Dom la Nena“ heran. Dominique Pinto, wie die 24-jährige Sängerin eigentlich heißt, sorgt mit ihrer mädchenhaften Stimme und Instrumenten wie Glockenspiel, Cello oder Ukulele für elf fein gewebte Lieder, die sie in vier Sprachen – manchmal vermischt – interpretiert. Das Eröffnungslied über sie selbst klingt leicht, hat aber noch einen simplen Text. „Vivo na maré“ klingt hingegen schon wie ein kleines Kunstwerk. Pinto singt darüber, dass sie kein Zuhause hat. Und tatsächlich war die Brasilianerin, die in Paris aufwuchs und in Argentinien klassisches Cello studierte, zwei Jahre mit ihrem Vorgängeralbum unterwegs um die Welt und hat viel Zeit in Wartesälen, Hotelzimmern und bei Proben verbracht, die sie zum Songwriting genutzt hat.

Dom la Nena
Soyo
Six degrees / Exil Musik

Auch die Schwalbe („Golondrina“), mein Lieblingssong auf dem Album, steht als Zugvogel für das Reisen. Pinto ist Multiinstrumentalistin, hat aber von ihrem Produzenten, Marcelo Camelo, dezent weitere Instrumente untergeschoben bekommen, die die Stücke abwechslungsreicher klingen lassen, als auf ihrem ersten Album. In ihren Liedern scheinen immer wieder ihre brasilianischen Wurzeln durch, sie liebt alte Sambas, aber frei nach dem Bonmot eines jeden Reisenden – „viel Gepäck verlangsamt das Reisen“ – setzt sie ihr musikalisches Erbe sparsam ein.

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