Fußball und Politik

Die Begeisterung und der Fanatismus, die in anderen (südamerikanischen) Ländern noch immer für die Religion aufgebracht werden, haben in Uruguay vor allem zwei andere Kultobjekte gefunden: Fußball und Politik. Gerade der Fußball löst als Breiten- und als Spitzensport eine Euphorie, Hingabe und Identifikation aus, die selbst uralte Fußballnationen wie England, Deutschland oder Italien blass dastehen lassen. Egal ob auf Straßen und Plätzen, im Park, am Strand oder selbst an den Bushaltestellen: Fußball wird überall gespielt, und die Fußballergebnisse vom Wochenende bestimmen noch Tage danach die Unterhaltungen.

Wer fündig wird, kauft sich sogar die Thermosflasche für seinen Mate-Tee in den Farben seines Vereins. Die beiden Weltmeisterschaftssiege 1930 und 1950 (vor allem der Triumph über Brasilien, den großen Nachbarn und Rivalen im Norden), die beiden Olympiatitel und natürlich die zahllosen Siege bei der Copa América machen einen wichtigen Teil des Selbstbewusstseins der Uruguayos aus und werden im weltweit ersten Fußball-Museum in Montevideo entsprechend gewürdigt.

„Equipo Celeste“ (Himmelblaue Mannschaft) heißt die Nationalmannschaft in Anlehnung an die Farbe der Trikots, die sich wiederum an der Farbe der Staatsflagge orientiert. Und „Nací Celeste“ (Ich wurde himmelblau geboren) von der Rockgruppe „No Te Va Gustar“ lautet die Fußballhymne der Uruguayos, die auch gerne als inoffizielle Nationalhymne bezeichnet wird.

Wenn die Himmelblauen bei internationalen Wettkämpfen spielen, freuen sich schon vorher die Fernsehverkäufer (und die Banken, die extra Kredite für den Erwerb eines neuen und größeren Geräts anbieten), denn: Das ganze Land schaut zu. Wer nicht zu Hause vor dem Bildschirm sitzt, steht mit Fahne, Schal und Tröte ausgerüstet auf den Plätzen der Städte und schwenkt die Nationalflagge. Nach den Siegen ihrer Himmelblauen füllt ein Meer aus Fahnen die Avenida 18 de Julio in Montevideo. Selbst auf den Stufen des Monuments für den Nationalhelden Artigas werden Fahnen geschwenkt.

Ein ähnliches Bild bekommt man in Uruguay bei Wahlen zu sehen. Dann strömen ebenfalls Tausende von Menschen auf die Straßen und schwenken die Fahnen ihrer Partei und die der Nation. Wobei Politik nicht nur ein Grund für Begeisterungsstürme ist. Die Parteien und ihre Gruppierungen sind traditionell tief in der Gesellschaft verankert, die Identifikation mit ihnen war sehr lange Zeit außergewöhnlich hoch. Nach der Unabhängigkeit Uruguays bekämpften sich die Anhänger der beiden traditionellen Parteien „Blancos“ und „Colorados“ über viele Jahrzehnte sprichwörtlich bis aufs Messer. Die „falsche“ Parteizugehörigkeit war oft Grund genug, jemanden umzubringen oder aber zumindest abgrundtief zu hassen. Noch heute entflammen selbst unter Freunden und Verwandten heftigste Konflikte, wenn es um Politik geht. Daher kam es einem Quantensprung gleich, als sich die Uruguayos von diesen beiden Parteien abwandten und die neue Regierungspartei Frente Amplio wählten. Der Schriftsteller Eduardo Galeano hat das geradezu religiöse Verhältnis der Uruguayos zu Politik und Fußball sehr treffend auf den Punkt gebracht, als er sagte: Ein Mann kann zwar seine Frauen wechseln, jedoch weder seine Partei noch den Lieblingsverein.

Reiseführer Uruguay: Dieser Text ist dem Reiseführer Uruguay – Handbuch für individuelles Entdeckenerschienen im Reise Know-how Verlag entnommen. Wer nicht bis zum nächsten caiman warten, sondern möglichst schnell mehr über Uruguay erfahren möchte, kann sich diesen Reiseführer für 16,95 Euro unter info@larsborchert.com persönlich beim Autor bestellen oder im gut sortierten Buchhandel kaufen.

Titel: Uruguay – Handbuch für individuelles Entdecken
Autor: Lars Borchert
ISBN: 978-3831725908, Seiten: 300, Verlag: Reise Know-How