Falsche Fische im Gatunsee

Der Panamakanal ist nicht nur eine der wichtigsten Wasserstraßen der Welt, sondern auch ein sehr artenreiches Gewässer. Bei genauerer Betrachtung ist er sogar zu artenreich: hier finden sich nicht nur einheimische Süßwasserfische, sondern auch eine ganze Reihe Arten, die dort eigentlich gar nichts verloren haben.

Diana Sharp, Doktorandin am Smithsonian Tropical Researchinstitute, Isla Barro Colorado, wirft den Motor ihres kleinen Bootes an und fährt hinaus auf den Gatunsee zum Fischen. Der See ist Teil des Panamakanals und dieser für die Biologin ein ganz besonderes Gewässer. „Der Kanal ist aus mehreren Gründen ein faszinierender Arbeitsplatz: Einer dieser Gründe ist, dass es eine ganze Reihe eingeschleppter Arten aus verschiedenen Gegenden der Welt gibt. Sie alle koexistieren hier in diesem künstlichen Ökosystem“, erklärt die Forscherin. „Da ist zum Beispiel der Tilapia, der eigentlich aus Ostafrika stammt und als schmackhafter Speisefisch im Kanal ausgesetzt wurde. Oder der Oscar aus Südamerika, eigentlich ein Zierfisch – irgendwer wollte wohl sein Aquarium auflösen.“

Am interessantesten aber ist für die Doktorandin der grüne Pfauenbarsch. Auch der stammt aus dem Amazonas und erreicht eine Körperlänge von über einem Meter. „Der Pfauenbarsch wurde für den Angelsport ausgesetzt. In den 70ern wusste man noch nicht, wie gefährlich es ist, Arten von einem Teil der Welt in einen anderen zu versetzen. Die Leute dachten einfach, es wäre toll, wenn man den hier angeln könnte.“

Für ihre Doktorarbeit vergleicht Diana Sharpe den Panamakanal mit einem anderen See, in dem es kaum fremden Arten gibt. Sie möchte wissen, wie sich „die Einwanderer“ auf die heimischen Fischbestände auswirken. Die Unterschiede sind gewaltig. „Wir fangen hier vor allem eingeschleppte Arten. Viele der kleineren, heimischen Fische dagegen, die früher sehr häufig vorkamen, scheinen verschwunden.“

Eingeschleppte Arten, die das Ökosystem verändern, ist ein Thema, das dem panamaischen Umweltschützer Lider Sucre große Sorgen macht. „Von außerhalb eingeschleppte Arten sind für Panama generell ein großes Problem und das hat mit dem Kanal zu tun. Durch ihn legen bei uns Schiffe aus aller Welt an, und die bringen exotische Arten mit. Früher gab es hier schwarze Geckos mit rotem Kopf. Dann kamen weiße, asiatische Geckos ins Land, und die gibt es heute in allen Häusern Panamas. Diese neue Spezies hat den heimischen Gecko komplett verdrängt. Zudem muss man bedenken, dass der Kanal zwei völlig unterschiedliche Lebensräume miteinander verbindet: Den Pazifik und die Karibik. Glücklicherweise wurde der Kanal nicht auf Meeresniveau gebaut. Das wäre eine Katastrophe gewesen, vor allem für die Karibik, denn im Pazifik gibt es außerordentlich aggressive Arten. Wenn die plötzlich in die Karibik hätten kommen können, hätte sich das Ökosystem dort völlig verändert.“

Das ist nicht geschehen – die beiden Ozeane sind durch Schleusen und einen riesigen Süßwassersee, den Gatunsee, voneinander getrennt. Doch ist das für die Fische eine unüberwindbare Barriere? Diana Sharpe wirft ihr Netz aus. „Hier haben wir einen Mohara. Das ist ein Meeresfisch, der auch Brackwasser und Süßwasser toleriert. Dieser hier kommt aus dem Atlantik und muss durch die Schleusen gekommen sein. Wir finden im Gatunsee sowohl Arten aus dem Atlantik als auch aus dem Pazifik.“ Die 26jährige ist nicht überrascht. Sie fängt regelmäßig Meeresfische in dem Süßwassersee. Eine große Zählung im Jahr 2004 ergab, dass es über 100 Meeresfischarten in den Gatunsee geschafft haben. Welche Folgen hat das? „Wir schauen uns den Mageninhalt des Pfauenbarsches an und sehen, dass er sich stark von Meeresfischen ernährt. Das ist eine interessante Situation, denn womöglich nehmen die Meeresfische den Druck von den einheimischen Fischen. Das Zusammenspiel kann also sehr komplex sein.“ Ein künstliches Ökosystem also mit Fischen aus aller Welt, von denen man nicht weiß, wer wen frisst – für die Wissenschaftler ein enormes Forschungsfeld.

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