Hopfiges

In medizinischer Fachliteratur ist das Ideale Getränk wie folgt beschrieben: „Es soll viel Wasser enthalten und nährstoffreich sein, es soll wenig Kalorien enthalten und fettarm sein, und möglichst wenig Alkohol aufweisen.“

biere-xibeca-estrella-1200

Obwohl nicht ausdrücklich benannt, trifft diese Definition voll und ganz auf das gemeine Bier zu, welches weltweit gebraut wird und schon seit mehr als 6000 Jahren einen Großteil der Menschheit erfreut.

In Lateinamerika ist das Biertrinken seit Einzug des technischen Fortschritts populär. Dieser ist im 19. Jahrhundert in erster Linie durch den Bau von Eisenbahnen gekennzeichnet, realisiert durch deutsche und britische Gesellschaften. Da es für die Arbeiter aus Europa unzumutbar erschien, nach Schichtende auf den Genuss des heimischen Bieres zu verzichten, ging der Ausbau der Schienenlandschaft mit der Errichtung erster Brauereien Hand in Hand. Heute hat es den Anschein, als ob Bier bereits das favorisierte Getränk von Quetzalcoatl und Inti Wantanam gewesen sein muss, ist es doch in der Neuen Welt mindestens genauso verbreitet wie im Mutterland des Reinheitsgebotes.

Schmecken und Riechen

Wir wollen in der Kolumne „Hopfiges“ lateinamerikanische, spanische und portugiesische Biere unter die Lupe nehmen. Zur Beurteilung von Bieren allgemein gibt es eine Vielzahl an Prüfschemata. Diese werden zum einen von einschlägigen Instituten für Prämierungen und zum anderen von Brauereien für den eigenen Gebrauch entwickelt. In der Regel unterteilen sich die Schemata in zwei Prüfungsarten:

Bei ersterer wird das Bier einer im Labor durchgeführten chemischen und physikalischen Testreihe unterzogen. Mit geeichten Geräten werden u.a. Werte wie Alkoholgehalt, Stammwürze (Gehalt gelöster Stoffe wie Malzuckerzucker und Eiweiß vor der Vergärung), Farbe, Schaumbildung und CO2-Gehalt (oft und fälschlich als Kohlensäure bezeichnet) bestimmt.

Bei der zweiten wird das Bier nach sensorischen, d.h. den menschlichen Sinnen unterliegenden, Kriterien geprüft und bewertet. Der Mensch verfügt über fünf Sinne, die durch Faktoren wie Tageszeit, physischer und psychischer Zustand sowie Umgebung mehr oder weniger stark beeinflusst werden. Neben Auge, Tastsinn und Gehör sind für die Verkostung natürlich der Geschmacks- und der Geruchssinn von großer Wichtigkeit. Die Zunge kann im wesentlichen die Grundgeschmacksrichtungen süß, sauer, salzig und bitter unterscheiden, die Nase mit ihren ca. 400.000 Geruchszellen bis zu 4000 Geruchseindrücke. Da im Bier mehrere hundert Aromakomponenten vorkommen, ist das Zusammenspiel von Zunge und Nase die entscheidende Komponente des Verkostens.

Bei einer professionellen Verkostung sollte ein Umfeld geschaffen werden, das möglichst wenig äußere Reize auf den Verkoster zulässt. Lärm, starkes Sonnenlicht und vor allen Dingen fremde Gerüche sollten vermieden werden. Nun wendet man sich erst dem Geruch des Bieres zu. Hierbei achtet der Prüfer, unter leichtem Schwenken des Glases, auf die Reinheit und Frische des Aromas. Fehlgerüche führen zu Abzügen in der Bewertung des Bieres. Anschließend nimmt der Verkoster mehrere nicht zu kleine Schlucke, die er im Gegensatz zu Weinverkostungen, weder im Mund hin und her spült noch ausspuckt. Der Geschmack wird nach Vollmundigkeit und der Qualität der Bittere beurteilt. Die Rezens, d.h. das Erfrischungsgefühl an Zunge und Gaumen, was hauptsächlich durch den CO2 Gehalt hervor gerufen wird, ist ebenfalls ein wichtiges Kriterium. Wird ein Fehlgeschmack erkannt, führt dies wie beim Geruch zu hohem Punktabzug.
Eine Alternative zur Punktebewertung ist die beschreibende Prüfung. Bei dieser wird versucht, die gesammelten Eindrücke mit Worten zu zensieren. Hierbei handelt es sich um für den Laien mehr oder weniger nachvollziehbare Fachbegriffe.

[g1_message type=“success“]

In Deutschland ist man, was die Beschreibung von Biergeschmack angeht, relativ sprachlos. Dies ist besonders schade, da gerade in einem Land, in dem es rund 5000 verschiedene einheimische Biere gibt und man selbst bei einer Verkostung von fünf Bieren pro Tag fast drei Jahre bräuchte, verbale Unterscheidungsmöglichkeiten hilfreich wären. Über Attribute wie ‚bekömmlich frisch‘, ‚fein würzig‘ oder den berühmten ‚Hauch herber‘, kommen selbst die als kreativ bezeichneten Fachleute der Werbebranche nicht hinaus. Ebenso hilflos sind die professionellen Bierkenner, die nur mit Hilfe unverständlicher Fachtermini in der Lage sind, Bier liebenden Laien zu vermitteln, warum das eine Bier dem anderen vorzuziehen ist. Die anglo-amerikanische Länder sind hierbei um einiges voraus. Dort findet man die blumigsten Beschreibungen von Bieren, die aber leider oftmals nicht halten, was sie an Geschmackserlebnis versprechen.

[/g1_message]

Verkostung caiman

Entgegen den konventionellen Verkostungsmethoden legen wir Wert auf das individuelle Empfinden der Situation und Atmosphäre am jeweiligen Ort des Biergenusses.
Eine Standardisierung oder gar eine empirische Reproduzierbarkeit ist nicht gewollt. Wir möchten eher eine Lanze für das alte Kultur-Getränk und dessen weltweite Vielfalt brechen und über Erfahrungen mit Bier sprechen, die auf Reisen gemacht werden.

Text: Dipl. Braumeister Arne