Carminho (06/2015)

Das neue Album “Canto” der Sängerin Carminho (Maria do Carmo de Carvalho) ist nun auch in Deutschland erhältlich – nachdem es erwartungsgemäß in Portugal wieder Verkaufsrekorde erzielt hat. Carminho, eine der Erneuerinnen des Fado, eröffnet ganz klassisch mit einem tieftraurigen fado menor („A ponte“), um dann mit „Saia Rodada“ sofort ein fröhliches Lied folgen zu lassen, geschrieben u.a. von ihrem Produzenten Diogo Clemente, der auf dem Album auch die viola spielt. Und so wird klar, dass die Reise nicht ausschließlich im klassischen Fado weiter geht.

Carminho
Canto
Warner Music

Mit „Ventura“ folgt zwar wieder ein trauriges Stück, aber hier beginnt auch die musikalische Zusammenarbeit mit brasilianischen Künstlern, die sich durch „Canto“ zieht. Nach Carminhos Erfolgen mit ihrem Vorgängeralbum in Brasilien, feiert die 29jährige nun die lusophonia. und setzt brasilianische Akzente: in „Ventura“ steuert das Cello von Jaques Morelenbaum aus Rio die Melancholie bei (besonders schön zu hören in der Akustikversion am Ende des Albums); die Ballade „Chuva no mar“ (Regen auf dem Meer) singt Carminho gemeinsam mit Brasiliens Superstar Marisa Monte, die das Stück zusammen mit Arnaldo Antunes geschrieben hat, in dem es um diejenigen Veränderungen im Leben geht, die uns formen, die wir aber nicht bewusst steuern können: Das Meer sieht nach einem Regenguss genau so aus wie zuvor, aber es enthält nun mehr Wasser!

Caetano Veloso hat Carminho den Text für „O sol eu e tu“ geschrieben, eine Hymne an die Sonne. Und der Perkussionist Nana Vasconcelos begleitet Carminho im fröhlichen Liebeslied „Destinos“.

Das Album ist insgesamt sehr abwechslungsreich. Neben „reinen“ Fados – „Espera“, “Vem“ – erklingen schwungvolle Lieder wie die Eigenkomposition „Andorinha“, über die kleine Schwalbe, oder nach Folk klingende Liebeslieder („A canção“). In ihrem zweiten eigenen Stück – „Contra a maré“ – ertönt, wie in einigen anderen Titeln, ein sehnsüchtiges Akkordeon und in „Na ribeira deste rio“ veredelt Carminho mit ihrer Stimme einen Text von Nationaldichter Fernando Pessoa und schlägt musikalisch die Brücke ins Nachbarland, mit den Gitarrenklängen des Spaniers Javier Limón, der kurz in einen interessanten Dialog mit einer Mundharmonika tritt.

Die Beschwingtheit vieler Stücke, die Öffnung zu brasilianischen Rhythmen, die abwechslungsreiche Instrumentierung, aber auch die Texte und Melodien werden dazu beitragen, dass noch mehr junge Portugiesen (und andere Europäer) den Fado für sich entdecken, auch auf der Suche nach einer Identität in einem von Krisen geschüttelten kleinen Land an der Peripherie Europas.

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